Überstunden managen – gewusst wie
Überstunden gehören in vielen Unternehmen zum Alltag – ob saisonbedingt, wegen personeller Engpässe oder unerwarteter Auftragsspitzen. Damit sie jedoch nicht zur Kostenfalle oder gar zum rechtlichen Problem werden, ist ein professioneller Umgang mit dem Thema unerlässlich. In diesem Beitrag beleuchten wir die wichtigsten rechtlichen Grundlagen, Risiken und praxisgerechte Lösungsansätze.
Was sind die zeitlichen Limits bei Überstunden laut ArbZG?
Das Arbeitszeitgesetz (ArbZG) legt für erwachsene Arbeitnehmer klare Grenzen fest: maximal 8 Stunden pro Werktag, die auf bis zu 10 Stunden verlängert werden dürfen – allerdings nur, wenn der Durchschnitt von 8 Stunden in einem Ausgleichszeitraum von 6 Monaten nicht überschritten wird (§ 3 ArbZG).
Besondere Schutzgruppen:
- Jugendliche: Nach dem Jugendarbeitsschutzgesetz (JArbSchG) gilt eine maximale Arbeitszeit von 8 Stunden täglich und 40 Stunden wöchentlich. Überstunden sind grundsätzlich unzulässig.
- Schwangere und stillende Mütter: Das Mutterschutzgesetz (MuSchG) verbietet Überstunden für werdende Mütter ab dem Bekanntwerden der Schwangerschaft.
- Schwerbehinderte: Diese dürfen gemäß § 124 SGB IX Überstunden ablehnen, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen befürchten zu müssen.
Wann dürfen Arbeitgeber Überstunden anordnen – und auf welcher Grundlage?
In unserem ausführlichen Artikel „Wann dürfen Arbeitgeber Überstunden anordnen?“ haben wir das Thema bereits behandelt. Kurz gesagt: Eine Anordnung ist nur möglich, wenn:
- eine arbeitsvertragliche, tarifliche oder betriebliche Regelung dies erlaubt,
- ein dringender betrieblicher Bedarf besteht (z. B. Notfälle, unvorhergesehene Auftragslagen),
- und die gesetzlichen Höchstarbeitszeiten eingehalten werden.
Wo liegt das Konfliktpotential bei Überstunden?
1. Überhand nehmende Überstunden
Werden Überstunden zur Regel statt zur Ausnahme, droht Frust und gesundheitliche Belastung für Arbeitnehmer und ggf. ungeplante Kosten für den Arbeitgeber, wenn die Überstunden ausgezahlt werden sollen.
2. Vergütung oder Freizeitausgleich?
Unklare Regelungen führen oft zu Streit: Muss bezahlt werden oder ist ein Freizeitausgleich vorgesehen? Vertraglich gibt es viele Möglichkeiten, Überstunden zu regeln, angefangen vom Arbeitsvertrag über Betriebsvereinbarungen bis hin zu Tarifverträgen.
3. Ende des Arbeitsverhältnisses
Nicht abgegoltene Überstunden können teuer werden. Ohne dokumentierte Regelung und erfasste Arbeitszeiten können hohe Nachforderungen beim Ausscheiden drohen.
Kostenfalle: unnötige oder ungeplante Überstunden
Unkontrollierte Überstunden verursachen versteckte Mehrkosten – etwa durch Zuschläge, Produktivitätseinbußen oder sogar Rechtsstreitigkeiten. Besonders problematisch: Überstunden ohne Weisung oder solche, die nicht dokumentiert werden, aber später eingefordert werden können. Hier sollten Arbeitgeber klare Regelungen und Kontrollen etablieren.
Arbeitszeiterfassung – Hindernis oder Chance?
Seit dem EuGH-Urteil von 2019 und der BAG-Entscheidung aus 2022 ist klar: Eine verpflichtende Arbeitszeiterfassung ist für alle Unternehmen unumgänglich. Das wird oft als Bürokratieaufwand gesehen – sie hält aber auch Chancen bereit:
Hindernisse:
- Mehr Verwaltungsaufwand
- Technische Einführungskosten
- Bedenken innerhalb der Belegschaft
Chancen:
- Rechtskonforme Nachweisführung
- Bessere Planbarkeit und Transparenz
- Frühzeitige Erkennung von Überlastung
Überstunden abbauen – welche Möglichkeiten gibt es?
1. Vergütung oder Freizeitausgleich
Beide Varianten sind möglich – wie der Ausgleich umgesetzt wird, muss klar geregelt sein. Im Zweifel ist der Ausgleich in Geld verpflichtend (§ 612 BGB), wenn nichts anderes vereinbart wurde.
2. Arbeitszeitkonto
Ein flexibles Modell, das Planungsspielraum erlaubt – allerdings nur bei transparenter Führung und innerhalb gesetzlicher Höchstgrenzen.
3. Ausgleichszeiträume
Diese sollten vertraglich festgelegt und realistisch sein. Andernfalls droht eine Kumulierung von Überstunden über Monate hinweg.
Pauschale Abgeltungsklauseln
Grundsätzlich gilt: Pauschale Klauseln wie „Überstunden sind mit dem Gehalt abgegolten“ sind in der Regel unwirksam. Das Bundesarbeitsgericht hat entschieden, dass solche Klauseln nur dann zulässig sind, wenn aus dem Arbeitsvertrag klar ersichtlich wird, welche und wie viele Überstunden konkret abgegolten werden sollen (5 AZR 406/10 v. 17.08.2011).
Fehlt eine wirksame Regelung, greift automatisch § 612 BGB: Arbeitnehmer haben dann Anspruch auf übliche Vergütung für tatsächlich geleistete Überstunden.
Ausnahmen: Eine pauschale Abgeltung ist jedoch möglich bei Arbeitnehmern mit einem Jahresgehalt über der Beitragsbemessungsgrenze der Rentenversicherung oder Diensten höherer Art nach § 627 BGB (z. B. Anwälte).
Zulässige Gestaltung: Rechtswirksame Varianten enthalten klare Obergrenzen, z. B.: „Überstunden bis zu 10 % der wöchentlichen Arbeitszeit sind mit dem Gehalt abgegolten.“
Wie schützen sich Arbeitgeber vor ungewollten Überstunden?
- Arbeitszeitkonten im Blick behalten: Frühwarnsystem für Überlastungen.
- Begrenzung der Konten: Klare Obergrenzen verhindern „Überstunden auf Halde“.
- Zwangsweiser Überstundenabbau: Arbeitgeber können aus betrieblichen Gründen den Abbau anordnen – mit Vorlaufzeit und Kommunikation.
- Erziehungsmaßnahmen“: Klarstellung, dass eigenmächtige Überstunden ohne Anweisung nicht gewünscht und nicht bezahlt werden – idealerweise per schriftlicher Richtlinie.
Fazit: Vier Punkte, die Arbeitgeber im Blick behalten sollten
- Arbeitszeit: Gesetzliche und vertragliche Vorgaben definieren den Rahmen.
- Anordnung von Überstunden: Rechtssicher nur mit Regelung und Begründung.
- Dokumentation: Zeiterfassung ist Pflicht – und schützt beide Seiten.
- Ausgleich: Entweder durch Bezahlung oder Freizeitausgleich – aber klar geregelt.
Wer Überstunden gezielt steuert statt sie nur zu dulden, fördert Effizienz, vermeidet unnötige Kosten und sorgt für einen klaren, fairen Rahmen im betrieblichen Alltag.“
Bleiben Sie dran!
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Quellen:
Arbeitszeitgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/arbzg/
Arbeitsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/arbschg/
Jugendarbeitsschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/jarbschg/
Mutterschutzgesetz: https://www.gesetze-im-internet.de/muschg_2018/
§ 124 SGB IX: https://www.gesetze-im-internet.de/sgb_9_2018/__124.html
BGB: https://www.gesetze-im-internet.de/bgb
5 AZR 406/10, (Pauschalabgeltung von Überstunden: Vergütungserwartung): https://www.bundesarbeitsgericht.de/entscheidung/5-azr-406-10/
Bildnachweis: MEP24 Software GmbH, Canva Pro